Pro-aktiv seine Nachfolge gestalten

Interview mit Josef X. Baumeister, Geschäftsführung BaumeisterValue

Die Themen FINANZIERUNG und Unternehmensnachfolge sollten in mittelständischen Familienunternehmen einen höheren Stellenwert einnehmen. Denn das Risikopotenzial wird unterschätzt und wird auch industriepolitisch die kommenden Jahre beherrschen.
Automobil Produktion: Herr Baumeister, Sie sind freiwillig vom Amt als CFO/CEO bei Hirschvogel zurückgetreten. Warum?
Ich habe mich sehr bewusst für meine Gesundheit und eine neue berufliche Herausforderung entschieden. Der Hintergrund: die neun Jahre als CFO und die letzten zwei Jahre als Sprecher der Konzerngeschäftsführung nach dem Tod von Dr. Manfred Hirschvogel waren sehr intensiv. Hirschvogel ist enorm gewachsen – von 250 Millionen Euro Umsatz in 2003 auf 770 Millionen Euro bei meinem operativen Ausscheiden Anfang 2012. Gemeinsam mit Dr. Hirschvogel und dem Managementteam durfte ich zur Sicherstellung der Unabhängigkeit und Zukunftsfähigkeit seines Familienunternehmens gestalten und umsetzen und habe ein gut bestelltes Haus hinterlassen. Für beide Seiten, so mein Fazit, eine beschenkte Zeit.
Automobil Produktion: Was machen Sie künftig?
Meine Frau Karin, die zuletzt zwei Jahre als Projektmanagerin in der Frank Hirschvogel Stiftung arbeitete, und ich hatten schon länger den Wunsch, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Mit dem erworbenen Wissen wollen wir ab 2013 dem familiengeführten deutschsprachigen Mittelstand als Sparringspartner in den strategisch wichtigen Handlungsfeldern Familie/Nachfolge, unabhängige Finanzierung, sowie Unternehmenssteuerung und -führung zur Verfügung stehen.
Automobil Produktion: Ihr Fokus liegt künftig auch auf dem Thema Unternehmensnachfolge. Was genau können Sie da Ihren Kunden an Unterstützung liefern?
Wir konzentrieren uns auf die strategisch wichtigen Handlungsfelder Family, Finance und Business im familiengeführten Mittelstand, in denen wir die Notwendigkeit für mehr Professionalisierung sehen. Die Themen Finanzierung und Optimierung der Finanzprozesse sollten eng verzahnt sein mit werteorientierter Unternehmenssteuerung und –führung. Als Chef eines Familienunternehmens sollte man stets einen wachen Blick auf die Rendite haben – denn ohne Rendite hat das Unternehmen keine Zukunft. Die Frage lautet also immer, was sind die wesentlichen Erfolgstreiber und wie steuere ich diese richtig? Ein hohes Risikopotenzial birgt das Thema Nachfolge. In den nächsten fünf Jahren werden 110 000 Unternehmen in die Nachfolge übergeben. Dazu gibt es sehr interessante Zahlen: Bei 900 Unternehmen im Jahr ist der Übergabe-Grund Krankheit, bei 2 200 Firmen ist es gar der Tod des Unternehmers und in 18 900 Unternehmen pro Jahr muss oder will der Unternehmer aus der Verpflichtung. Nach Angaben des Bonner Instituts für Mittelstandforschung sind über 50 Prozent der Inhaber von mittelständischen Unternehmen in Deutschland inzwischen über 60 Jahre alt. Das bedeutet, in den nächsten Jahren werden wir extrem viele Nachfolgefälle in Unternehmen sehen. Und wir wissen, dass sehr viele sich extrem schwer tun, aus der eigenen Familie heraus Nachfolgelösungen zu generieren. Hier wollen wir unterstützen im Prozess als unabhängiger Begleiter und Moderator bei der Findung einer tragfähigen Lösung. Dieses Thema findet für mich zu wenig Beachtung und wird zum Teil gar nicht als hohes Risikopotenzial identifiziert.
Automobil Produktion: Im eigenen Unternehmen oder in der Öffentlichkeit?
Sowohl als auch. Dabei hat das Thema Nachfolge im deutschen Mittelstand eine volkswirtschaftliche Dimension. Warum? In der Vergangenheit wurde politisch sehr viel richtig gemacht und wir sind in Deutschland mit Recht stolz auf den leistungsfähigen Mittelstand. Den gilt es zu bewahren. Und daher hat es eine volkswirtschaftliche Dimension, wenn Nachfolge-Lösungen fehlen und viele Mittelständler an internationale Investoren oder Finanzinvestoren verkauft werden. Gewiss ein komplexes und herausforderndes Handlungsfeld für einen Unternehmer – sein letztes großes Projekt sozusagen. Hier spiegelt die Natur durch: Der Unternehmer ist aus seiner Rolle heraus der Gestalter, der Innovator, jemand, der vorangeht – in der Natur ist das der Leitwolf. Dem steht logischerweise das Alpha-Tier-Syndrom im Wege – der Leitwolf tritt nicht ab, eher stirbt er. Daher wagt der Unternehmer selten das pro-aktive Gestalten der Nachfolge, was der beste Weg ist. Meist schiebt er das Thema bis er 60 ist, dann 65, dann vielleicht 70 – und plötzlich ist er nicht mehr in der Lage zu gestalten. Dies stellt hervorragend aufgestellte Unternehmen vor große Herausforderungen.
Automobil Produktion: Sie bewerten den Einkauf einer Bankleistung wie den Einkauf einer Dienstleistung oder einer Komponente. Warum?
Ja, sicherlich – vor allem, wenn es um komplexere, größere Finanzierungen geht. Dann sprechen wir von strukturierten Finanzierungen, bei der gewöhnlich eine Bank als Leader fungiert. Diese Bank strukturiert und realisiert am Markt die Finanzierung in Abstimmung mit den Finanzverantwortlichen oder mit dem Unternehmer für die nächsten drei bis fünf Jahre. Für mich stimmt hierbei das Kräfteverhältnis nicht mehr, denn der Unternehmer gibt dadurch ein großes Stück Macht auf die andere Seite und begibt sich automatisch in eine schlechtere Position oder in Abhängigkeit. Es wird zweifelsohne Situationen geben, in denen dieses Vorgehen notwendig ist, aber der Unternehmer sollte es im Eigeninteresse pro-aktiv vermeiden. Wir haben das bei Hirschvogel viermal so gehandhabt, dass ich auf Unternehmensseite selbst ins Lead gegangen bin und dadurch die Verhandlungsmacht stets auf der Seite des Unternehmens blieb. Hierbei habe ich, basierend auf einer definierten Finanzstrategie, die zu den Bedürfnissen der Unternehmens- und Wachstumsstrategie und dem Wertefundament des Unternehmens passte, mit potentiellen Kapitalgebern verhandelt Und es hat eine weitere Komponente: am Ende ist dieses Vorgehen im Ergebnis monetär deutlich günstiger und in den Vertragsbedingungen fairer und ausgeglichener, als wenn man diese Handlungshoheit allein einer Bank übergibt.
Automobil Produktion: Mittlerweile diktieren die Unternehmen den Lieferanten die Preise. Kann ich der Bank auch Preisreduzierungen abringen?
Ja natürlich, man muss sich allerdings in die entsprechende Position bringen. Wir werden wohl keinen Unternehmer finden, der – bleiben wir in der Zulieferindustrie – große Stahlmengen einkaufen muss und es hierbei seinem Stahllieferanten obliegt, die Stahlkontrakte am Markt für die nächsten fünf Jahre sowohl für die Menge als auch für den Preis abzuschließen. Das werden Sie nicht erleben.
Automobil Produktion: Können Sie sagen, was für ein Familienunternehmen
an Einsparungen möglich ist?
Das hängt vom Finanzierungsvolumen ab. Sagen wir, es geht um eine Finanzierung von 100 Millionen Euro – dann sind marktübliche Strukturierungs-Fees mindestens 1,5 Prozent des zu finanzierenden Volumens, also 1,5 Millionen Euro, wenn das eine Bank macht. Es geht um die Hälfte oder um ein Drittel, wenn man das unabhängig vergibt. Das ist die einmalige Einsparkomponente beim Abschluss. Der weitaus größere Hebel für Preise und vertragliche Bedingungen bezieht sich auf die gesamte Laufzeit der Finanzierung. Letztere sind monetär nicht messbar, jedoch gerade für Familienunternehmen hinsichtlich Unabhängigkeit, Flexibilität, Stabilität und Langfristigkeit von besonderer Bedeutung.
Automobil Produktion: Ist die bevorstehende Euro-Krise ein
guter Zeitpunkt, um seine Verträge mit den Banken auf den Prüfstand
zu stellen und zu überdenken?
Es gibt seit zwei, drei Jahren keinen guten oder schlechten Zeitpunkt mehr im Umfeld von Wirtschafts- und Finanzkrisen und volatilen Märkten. In Krisen liegen stets Chancen für unternehmerisches Handeln. Grundvoraussetzungen für eine jederzeitige Kreditierung sind ein plausibles, zukunftsfähiges Geschäftsmodell, das nach vorne gerichtet ist und ein entsprechendes Renditepotenzial aufzeigt. Ein Kredit wird ja immer in Erwartung auf Rückzahlung durch künftige Gewinne vergeben. Zudem sollte im Sinne von Zukunftsfähigkeit eine solide Bilanzund Finanzstruktur vorhanden sein mit Mindesteigenkapitalausstattung von 25 Prozent, besser sind 30 bis 40 Prozent. Ist hier eine Lücke, sollte dies in einer Neustruktur der Passivseite ausgeglichen werden. Somit sind die Kapitalgeber auch in der Lage, ein Unternehmen langfristig zu begleiten. Das liegt dann am Unternehmer selbst, dies verstärkt einzufordern.
Das Interview führte Bettina Mayer