Mittelstandsfinanzierung Wirtschaft IHK-Magazin für München & Oberbayern

Tückische Fallstricke

Wer mit der Bank über einen Kredit verhandelt, sollte die Details im Vertrag genau unter die Lupe nehmen – und über die Klauseln verhandeln.
Wenn der Bankchef auf dem Anrufbeantworter um ein klärendes Gespräch bittet, verheißt das meist nichts Gutes. So war es auch bei Michael Großmann*. Der Münchner Mittelständler aus der Energiebranche hatte einen umfangreichen Kredit aufgenommen, um neue Anlagen zu bauen. Doch dann kam alles ganz anders als geplant: Ein großes Projekt verschob sich aufs übernächste Quartal. Daher konnte der Unternehmer die ursprünglich geplanten Umsätze nicht realisieren.
Es mangelte ihm an Liquidität – und das hatte Folgen für sein Darlehen. „Eine der im Kreditvertrag vereinbarten Kennzahlen hatten wir deutlich unterschritten“, so der Firmenlenker. Seine Bank drohte daraufhin, den Kredit zu kündigen. Das Recht dazu hatte sie, da im Vertrag entsprechende Covenants, also Kreditklauseln, vereinbart waren.
Kurz vor Vertragsschluss hatte der Mittelständler diese Klauseln im Kleingedruckten kurz überflogen und ihnen ohne Widerrede zugestimmt. Das ist gefährlich, denn mit den Klauseln sichert die Bank sich neben anderen Ansprüchen vor allem Kündigungsrechte: Wenn das Unternehmen während der Laufzeit bestimmte Planzahlen etwa für Eigenkapital oder Rentabilität nicht erreicht, kann das Kreditinstitut den Vertrag nachjustieren und im schlimmsten Fall kündigen.
Großmann hat daraus gelernt: „Ich prüfe die Covenants jetzt sehr genau und verhandle darüber, um sie dem Unternehmensbedarf anzupassen.“ Nachteilige Folgen seines damaligen Covenantbruchs konnte der Mittelständler noch verhindern. Er sprach ausführlich mit dem Bankchef, erarbeitete neue, realistische Pläne und Kennzahlen – und steuerte um. Heute gibt Großmann seine Unternehmenszahlen kontinuierlich an die Bank weiter. „Und wir pflegen einen regelmäßigen, intensiven Austausch“, ergänzt er.
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Dass Unternehmer wegen gebrochener Covenants in Schwierigkeiten geraten, kommt immer häufiger vor. „Zahlreiche Mittelständler schließen Kreditverträge ab, ohne die Kreditklauseln genau unter die Lupe zu nehmen“, stellt Josef X. Baumeister fest. Der Geschäftsführer der baumeistervalue GmbH in Schongau berät familiengeführte Mittelständler zu Gesellschafter-, Finanzierungs- und Unternehmensfragen.
Firmenchefs sollten sich eingehend mit dem Kleingedruckten in den Verträgen befassen, rät der Experte. Seit der Finanzkrise nimmt die europäische Regulierung der Banken zu. Die Institute arbeiten daher wieder verstärkt mit strengeren Covenants, beobachtet Baumeister. Damit verfügen sie über eine zusätzliche Stellschraube, um sich notfalls von Risiken verabschieden zu können.

Wie sollen Firmen mit Kreditklauseln umgehen?

Viele Banken legen Kreditverträge vor, die Standardkennzahlen enthalten. Darauf sollten sich Unternehmer nicht einlassen. „Gerade bei den Financial Covenants, den finanziellen Kennzahlen, sollten Firmenchefs solche Bedingungen aushandeln, die zum Unternehmen passen – und die ihnen Luft zum Atmen lassen“, empfiehlt Baumeister. Er rät Mittelständlern grundsätzlich,

  • Klauseln durchzusetzen, die das Unternehmen realistisch und individuell abbilden,
  • die Covenants auch später immer im Blick zu behalten und die Banken regelmäßig mit Zahlen zu versorgen
  • und bei einem drohenden Covenantbruch von sich aus aktiv zu werden.

Worst und Best Case durchspielen

Häufig planen Mittelständler zu optimistisch und hoffen, damit günstigere Zinsen und Bedingungen zu erhalten. „Viele Firmen schnüren sich mit den Covenants ein zu enges Korsett“, stellt Experte Baumeister fest. Am besten spielen Unternehmer vorab gute und schlechte Szenarien für die Planzahlen durch, rät er. „So können sie prüfen, ob die Covenants, die zur Verhandlung stehen, belastbar sind.“ Wer die bisherigen Kennzahlen analysiert, erkennt positive und negative Entwicklungen sowie deren Treiber. Auf dieser Basis können die Firmen aussagekräftige Zahlen für die Zukunft erarbeiten. Dabei sollten sie sich bewusst machen, dass die Kennzahlen, die in die Covenants eingehen, die betriebliche Entwicklung für die nächsten Jahre prognostizieren. Baumeister: „Nur wer weiß, welche langfristige Strategie er verfolgt, welche Märkte er im Visier hat und welche Umsätze er realisieren will, kann verlässliche Plan- und Kennzahlen erarbeiten.“

Auf Abweichungen schnell reagieren

Betriebe nehmen diese Kennzahlen am besten in die eigenen Frühwarnsysteme auf, rät der Experte. „Nur so können sie beobachten, ob sie sich noch im grünen Bereich bewegen.“ Deutet sich ein möglicher Covenantverstoß an, ist schnelles Handeln gefragt. „Informiert der Unternehmer die Bank schon eine gewisse Zeit vor dem Bruch, sichert er sich eine wesentlich bessere Verhandlungsposition, als wenn er sich erst danach rührt“, ist Baumeister überzeugt. Zudem übernimmt der Unternehmer damit eine aktive Rolle. „Wenn er sofort ein durchdachtes Konzept erarbeitet, wie er das Unternehmen wieder voranbringen will, verhalten sich die Banken meist kooperativ“, weiß der Experte. Wer auch in kritischen Zeiten seine aktualisierten Pläne, Konzepte und Kennzahlen an die Bank frühzeitig weitergibt, signalisiert Transparenz und Ehrlichkeit. „Damit lässt sich selbst in schwierigen Phasen verhindern, dass die Bank aussteigt, denn das schafft Vertrauen“, so Baumeister.

Finanzierungsklauseln neu verhandeln

Gute Karten haben bei den nach wie vor niedrigen Zinsen Firmen mit guter Bonität, die neu über die Kreditverträge verhandeln wollen. Das gilt besonders für wachstumsstarke Unternehmen. Die Johannesbad Gruppe in Bad Füssing zum Beispiel zählt mit ihren Schwerpunkten Medizin, Hotellerie, Bildung und betriebliches Gesundheitsmanagement zu den größten Gesundheitsdienstleistern hierzulande. „Neben dem niedrigen Zinsniveau führen weitere Faktoren wie alternative Finanzierungsformen dazu, dass klassische Bankdarlehen zwar weiterhin einen hohen Stellenwert einnehmen, ihre Bedeutung insgesamt jedoch abnimmt“, sagt Werner Weißenberger, Finanzvorstand und -geschäftsführer der Johannesbad Gruppe. Daher sinken nicht nur die Zinsmargen, sondern es lockern sich auch die Finanzierungsbedingungen. „Vor diesem Hintergrund haben wir im Vorjahr bestehende Verträge analysiert, bewertet und mit einer Finanzierung zu marktüblichen Zinsen und deutlich moderateren Kreditklauseln abgelöst, insbesondere bei den Financial Covenants“, erzählt der Finanzchef.
Die aktuellen Financial Covenants beziehen sich im Wesentlichen auf klassische Finanzkennzahlen, die auf der Ergebnisrechnung, der Bilanz und dem Cashflow basieren. Bei den im Vorjahr abgeschlossenen Kreditverträgen vereinbarte Weißenberger mit den Banken ein Kennzahlensystem, dessen Korridore vorab gemeinsam abgestimmt wurden. „Das verstehen wir weniger als einengendes Korsett, sondern als sinnvolle Leitplanken“, argumentiert der Finanzchef. Solche Richtmarken seien ohnehin notwendig, um gesund zu wachsen und die Unternehmensfinanzierung nachhaltig und stabil auszurichten.